Vergessen und Verdrängen

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Montag, 5. Januar 2009

aus dem Tschechischen: Buchtel, eine Mehlspeise, also eine Kalorienbombe; umgangssprachlich allerdings auch Tölpel oder Faulpelz.

Daniel Buchta. Einer, dem kürzlich bedeutet wurde, er sei unplugged — und dabei nicht wußte, was das bedeutet. «Ausgesteckt» meinte diejenige dann, die ihn so bezeichnet hatte, ohne es böse zu meinen, im Sinne von: abgeschaltet, vom Stromnetz getrennt, oder auch: nicht vom Radar des Zeitgeistes erfaßbar, weil abseits des Gerennes um Karriere und deren Zeitvernichtung, die damit betrieben wird. Auch konsumresistent, jedenfalls im politisch proklamierten Sinn: kaufen, egal ob's gebraucht wird oder nicht, Hauptsache, es hilft Vater Staat wieder auf die Mutter Wirtschaft; aber vielleicht ist das Bild zeitgemäßer: der Mutti wieder auf den Vati.

Buchta sitzt oft kopfschüttelnd da, fragt sich und andere, was das soll, wohin das führt: dieses hochgespritzte Verständnis von Zeit, diese fortwährende Eilerei von einem Punkt zum andern, auch von Menschen, für die es keinerlei Anlaß dazu gibt, die jedoch mit angefeuert sind, weil Zeit eben, wie es unausgegoren landläufig heißt, Geld ist, ein Bazillus, von dem ein ganzer Erdteil infiziert scheint, und ihm und weiteren quasi pandemisch das Ende bereitet.

Das Ende? Nein, jedenfalls nicht als glaubens- oder in Folge religionsstiftende Angst vor irgendeinem Höllenfeuer. Sondern schlicht der Überdruß an einer nicht endenwollenden Reduktion der Vielfalt in die Einfalt. Keine Zeit mehr zum Nachdenken. Etwa so, wie der gute alte, nichtsdestoweniger immerjunge Michael Krüger sich unlängst in Die Zeit geäußert hat:

»Eine Stunde pro Woche müsste in der Schule Kindern beigebracht werden, wie man schweigt. In einer anderen Stunde müsste die Fähigkeit gelehrt werden, alleine sein zu können. Das ist nämlich auch merkwürdig, alle wollen immer zusammen sein. Dabei kann Alleinsein doch etwas Wunderbares sein. Leser wissen das natürlich. Ich liebe das Bild des kleinen Mädchens, das völlig versunken unter einem Baum sitzt und ein Buch liest, andererseits kriege ich Panik, wenn ich einen Jungen beobachte, wie er mit glasigen Augen sein Computerspiel traktiert. Und vielleicht das Allerwichtigste: Ich würde sofort dieses schreckliche Bachelorstudium wieder abschaffen, diesen Versuch, Menschen zu nützlichen Maschinen zu machen.«

Insel der Seligen? Vielleicht ja. Weil Daniel Buchta sie sich zurückgeholt hat, die Zeit, und sie auch all denen gönnt, denen man sie genommen hat. Deshalb wird es hier demnächst unregelmäßig Anmerkungen darüber geben, wie es mal war und wie es vielleicht wieder werden sollte. Wenn der Tölpel mal gerade nicht wie üblich faul auf seinem Pelz liegt.

Nachtrag am 20. Juli 2009:
Aber er ist eben doch faul und liegt am liebsten so für sich hin. Deshalb hat er sich darauf spezialisiert, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die's besser können als er: das Wort.

Nachtrag am 10. Dezember 2010: Buchta ist unter anderem, nicht zuletzt, um an einen aussterbenden Beruf zu erinnern, tätig als (spätberufener) schlußendlicher Redaktor von: weiterblättern

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