Vergessen und Verdrängen

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Samstag, 16. Februar 2013

«Das hilft dem Vater auf die Mutter»

Reden wie die titelige führt jemand, der einen fetten Stich gemacht hat. «Noch einmal, sagt das Mädchen», wenn er dieselbe Farbe weiterspielt. Beim Skat spricht man so, ob Lieschen Müller oder Annemarie Renger (die Damen dürfen's offiziell seit 1937) oder Richard Stücklen.

Als 1848 in Deutschland die Märzrevolution tobte, also die einzige, die in diesem Land tatsächlich etwas bewegte, wenn auch ohne weitere Spätfolgen in dieser politischen Orientierung, verkündete es im Residenzstädtchen Altenburg im lieblichen Erzgebirge der Gymnasialprofessor Johann Friedrich Ludwig, der sozusagen als der Lehrer Hempel nicht nur die Geburtsstunde des Skats ausrief, sondern auch sofort Regeln verfaßte. Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß die Osterländer Blätter bereits 1818 diese kommende, höchst sportliche Bewegung andeuteten, die gleichwohl eine andere Region verriet: vom «erzgebirgischen Schafkopf» war die Rede. Eine Personalisierung seitens des Schriftleiters ist historisch bislang nicht belegt.

Sicher ist, daß die Protagonisten dieses Kartenspiels, das heute (1978) über 15.000 organisierte Klopper bei vier Milliarden Deutsche Mark Jahresumsatz im Deutschen Skatverband zusammenfaßt, zunächst in Adels- und Akademikerkreisen kämpften. Freiherr von Hirschfeld verfaßte unter dem Pseudonym Hartefeld 1884 als erster das Illustrirte Scatbuch, aber der Jurist ohne von und zu Karl Theodor Buhle befreite die von den höheren Ständen geschaffenen Regeln ein Jahr später mit seinem Illustrirten Lehrbuch des Scatspiels erst einmal «von unnützem Ballast». Müßiggängerische Studenten und auf ihren nächsten Einsatz wartende und deshalb wohl unterschäftigte Soldaten sorgten dann für eine rasche Verbreitung der Spielerei mit Assen, also Königen, deren Damen sowie den nachgeordneten Buben. Zum ersten Skatkongreß 1886 in Altenburg reisten, vermutlich noch in Kutschen, war die Bahn doch noch nicht so vernetzt, tausend Teilnehmer an und nahmen die von einem aus fünfzig Männern bestehenden Gremium erarbeitete Allgemeine Deutsche Skatordnung ohne Textänderung an. Die ein Jahr später vollzogene Auflösung des deutschen Reichstages hatte keinerlei Einfluß auf weitere derartige spielerische Versammlungen. Kontinuität fand allerdings statt im Zwist darüber, ob man nun mit Farben etwa des erzgebirgischen oder mit Zahlen des leipzigerischen Skats reizen solle, aber eine Einigung kam erst bei der Gründung des Deutschen Skatvervandes 1899 in Altenburg zustande.

Ab 1939 wurden Vereinsleiter von Skatformationen bei den Gauämtern für Propaganda und Volksaufklärung politisch genormt ...

Hier bricht die Schreibung analog der der Geschichte ab, unauffindbar im Gewirr meiner unterirdisch digitalisierten Welt. Keine Ariadne hat mir einen Faden durch meine höllischen Synapsen gelegt. Alles weiterführende, einstmals bereits ausformulierte Wissen ist dahin. Und nicht einmal das Volkslexikon will darüber aufklären, wie das mit den Gauleitern war. Aber der Deutsche Skatverband hilft, vielleicht sogar ein wenig in der Orientierung aktuellerer Rollenspiele, der Mutter sicherlich freundlich auf den Vater.


Playboy am Abend, 3.1978

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