Vergessen und Verdrängen

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Donnerstag, 14. Februar 2013

Bunte Hunde oder Blümchen oder, wie kürzlich gesehen, abgeschnittene Nasenhaare ablichten und anschließend auch noch hochkreativ mit einer an sich bereits hochintelligenten Weichware bearbeiten, das kann mittlerweile Ausstellungen auslösen. Aber ich weiß dennoch nicht so recht. Es mag auch daran liegen, daß ich diese Technik schlicht nicht beherrsche.

In mir regt sich, bis heute oder seit neuestem wieder, Widerstand bei der Anerkennung des Mediums Photographie als eine besondere Gattung der Kunst. Das ging damit los, als ursächlich rein dokumentarische Ablichtungen mit einem Mal auf den Kunstmärkten auftauchten, gefolgt von durchaus geschätzten, aber für mich eben doch anderen Sortierungen. Ich weiß sehr wohl, daß es der Photographie vor längerer Zeit bereits gelungen ist, eine eigene Bildsprache zu entwickeln (von den Möglichkeiten, die verschiedene Bildbearbeitungsprogramme bieten, soll hier jetzt nicht die Rede sein, zumal ich immer noch erschrocken genug bin vom Aufsatz Unnütze Gesten von Ivo Kranzfelder aus dem Jahr 1992). Die des Wortes kommt dabei häufig nicht mit oder ist allenfalls in der Lage, in die Krypta zu deuten: «Für mich war immer das Geheimnisvolle, Rätselhafte, das, was sich allen Formen von Erklärung entzog, das wesentliche Phänomen an einem Kunstwerk. Denn wie wir aus unseren Träumen, Ekstasen und sonstigen Räuschen wissen, gibt es sehr viele Gesichter dessen, was wir Realität nennen.» Die meine wird zusehends dem Gestrigen zugewandt, es ließe sich auch annehmen, romantischer im urbedeutlichen Sinn.

Trotz aller mit der Zeit gewachsenen Nähe erscheint mir die Kamera nach wie vor nichts anderes als ein Hilfsmittel wie Pinsel oder Meisel. Es scheint enorm schwierig zu sein, der übergestülpten Kindheitslehre zu entkommen. Ohnehin scheint die Altersharmonie von mir vollends Besitz ergreifen zu wollen. Die zur Auseinandersetzung erforderliche Bereitschaft erlahmt zusehends. Möglicherweise liegt es (auch) an der photographischen Bilderflut, diesem elektrischen Medientsunami, gegen den kein Noah angerudert kommt. Wie auch immer: das ehemalige Kind drängt in zunehmendem Maß zurück in die Mutter
«Das Leben sollte mit dem Tod beginnen, nicht anders herum. Zuerst gehst du ins Altersheim, wirst rausgeschmissen, wenn du zu jung wirst, spielst danach ein paar Jahre Golf, kriegst eine goldene Uhr und beginnst zu arbeiten, anschließend geht’s auf die Uni.

Du hast inzwischen genug Erfahrung, um das Studentenleben richtig zu genießen, nimmst Drogen, säufst. Nach der Schule spielst Du fünf, sechs Jahre, dümpelst neun Monate in einer Gebärmutter und beendest dein Leben als Orgasmus.»

Des Schauspielers Donald Sutherland (leider nicht zu ändernde Wunsch-)Erkenntnis ward gelesen in: Das Gähnen und Lesen der Kurzschnabel-Bergamsel von Axel Hacke, Süddeutsche Zeitung, 20. Oktober 2000, Feuilleton, S. 19
Das gute alte Bild — vom mir eher dem Konzeptionellen Zugeneigten soll hier jetzt mal überhaupt nicht die Rede sein — drängt sich zusehends in den Vordergrund. Dabei mag's mir ergehen wie dem alten Pablo Ruiz, der, vor von etwa Fünfjährigen gemalten Bildern stehend, die ein sich vermutlich als erwachsen fühlender Mann als Kinderkram abtat, meinte: Um so malen zu können, habe er dreißig Jahre gebraucht. Zig Jahrzehnte, um wieder dort anzugelangen, wo man dereinst hergekommen ist. Glücklicherweise gab es im Leib meiner Mutter keine russisch gehängte Flohmarkt- oder Kaufhauskunst. Aber als ich da untendrin herumstrampelte, war auch noch keine documenta installiert, schon gar keine für anders Andersdenkende.

Ich kaufe auch keine Kunst. Mehr. Die wird mir nämlich mittlerweile ohnehin sofort weggenommen von der Frau des Pseudonyms Braggelmann, die ungeachtet einer vielleicht besseren Hälfte manchmal bei mir vorbeischaut, um zu gucken, ob ich mich noch rühre. Bei dieser Gelegenheit geriet sie vor einiger Zeit in meine Kunstkammer. Darin hat sie auf der Suche nach meinen Resten mich wohl vermutet. Wobei ich annehmen muß, daß sie dabei in einen ihrer außergewöhnlichen Hamsterräusche gefallen war.

Ach! Dieser Buchta, höre ich sie laut und vernehmlich reden. Der hat doch noch nie Kunst gekauft. Der läßt sie sich doch immer nur schenken. Und deponiert dann alles wie ein japanischer Sammler und weiß nie, was er am Lager hat. Da ist es nur rechtens, wenn man ihm alles sofort wegnimmt und der Allgemeinheit zuführt. Kunst kommt nämlich nicht nur von Kunst, sondern auch von Kucken. — Seit längerer Zeit schon beschleicht mich der Verdacht, sie könnte Kommunistin sein.

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