Vergessen und Verdrängen |
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Freitag, 8. Februar 2013
daniel buchta, topic: Spirituelles und Spiritistisches, 13:31h
Bei den Vignerons de Maury lernte ich diesen köstlichen Vin Doux Naturel kennen, diesen Süßwein aus einer von fremd- oder selbsternannten Experten nach wie vor belächelten Weingegend. Ein paar Meter nördlich bis hinüber ins Westliche von Perpignan wurden vor ein paarhundert Jahren im Namen des Papstes, aber auch des Königs die Katharer abgeschlachtet, weil sie nicht das glaubten, von dem andere wollten, daß sie's tun. Sie waren recht festgefügt in einer Gesellschaft, für die Gemeinschaft alles bedeutete. Ein bißchen was davon scheint in ihren Genen zurückgeblieben zu sein. Nichts scheren sie sich um die Verlautbarungen aus Paris. Allerdings kommen die Pariser mittlerweile auf den Geschmack, haben doch deren internationalen Freunde die Weinpreise seit Mitte der Neunziger derart in die Höhe getrieben, daß ein Bordeux oder auch einer aus der Bourgogne unerschwinglich geworden ist. Und die Deutschen packen dann immer noch ein paar Euro drauf, wenn sie sich vom Weinverkäufer ihres Vertrauens im Kaufhaus einen Grand Cru andrehen lassen, den sie am Abend ihren Gästen vorsetzen, obwohl er frühestens in acht Jahren getrunken werden kann und deshalb nur siebzig oder auch achtzig Euro pro Flasche kostet. Es ist jene Species Weinverkäufer, die neulich in Kiels Karstadtvinothek das Töchterlein herunter- und ihm klarmachte, einen südafrikanischen Wein namens Sommerlust (in dem Muttern seit Jahren am liebsten baden würde) existiere nicht, die junge Frau habe keine Ahnung, wohl aber er. Als sich Frankreich erinnerte, daß ja auch außerhalb des Bordelais noch Reben wachsen, griff man im Südwesten zu. Doch kaum hatten die Vignerons des Madiran begriffen, wie gefragt ihr Wein mit einem Mal war, zogen sie die Preisschraube sofort nach. Und damit mußte auch ich für einen meiner Lieblingsweine gut ein Drittel mehr bezahlen. Eine neuerliche Umorientierung war notwendig geworden in der Mitte des letzten Jahrzehnts des vergangenen Jahrtausends. Sie nahm ihren Anfang in einem zusehends anschwellenden Gemurmle und Gebrabble vor dem Hotel in Perpignan. Ein nächtens aufgebauter regionaler Markt erhielt vermehrt Zulauf. Naserümpfend beschloß ich, diesem Touristenspektakel nichts abzugewinnen. Doch um in die zauberhaft wusselige, immer noch ein wenig spanisch, nein: katalanisch wirkende Altstadt zu gelangen, mußte ich über den Vorplatz der Herberge, den Cours Palmarole. Beim unbeteiligten Hinüberschielen sah ich die alte Pastis-Wasserflasche, die ich schon lange suchte. Bis zum Mittag hatte ich dann Markttag. Glücklicherweise befand sich das Hotel nur ein paar Schritte weg. Denn anschließend mußte ich unbedingt auf ein Nickerchen dorthin, war ich doch irgendwann am Stand der Vignerons de Maury angekommen. Und geblieben. Die gestand'nen Weinweiber aus dem Département Pyrénées-Orientales hatten mich nicht nur mit ihrer natürlichen Gelöstheit befüllt. Die fröhliche Freundlichkeit hielt an, auch nachdem sich Tage später mein gewaltiges Räuschlein sanft aufgelöst hatte und ich auf dem Weg zu Albigenischem einen Abstecher nach Maury gemacht hatte. Dort durfte ich dann tatsächlich von diesem nebenan abgebildeten portwein-ähnlichen 83er probieren, von dem beziehungsweise dessen Nachfolgern es heißt, sie seien die einzigen, die sich mit Schokoladendesserts vertrügen. Aber auch ohne solche gerät er nicht unbedingt in Feindschaft mit den Geschmacksnerven. Wenn die Süße gerade nicht greifbar ist, greife ich als Substitut nach ihm. Je nach Stimmung lebt es sich recht gut auch ohne sie. Dieser feine Süßwein stellt für mich ein Äquivalent zum Pineau des Charentes dar. Das ist jenes Gesöff, dessentwegen der Bruder des Cafébesitzers in der rue Nicolas in La Rochelle zweimal jährlich aus Paris anreist, um sich damit jedesmal aufs neue fürchterlich zu besaufen, weil er immer vergißt, daß dieses köstliche Stöffchen nicht eben wenig Alkohol enthält. |
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